Äußerungen von Finanzsenator Peiner und der Bürgerschaftsabgeordneten Ahrons auf einem „Privatisierungskongress“ der Arbeitsgemeinschaft selbständiger Unternehmer (ASU) Anfang November 2005
In der 2002 erstellten „Jesteburger Liste“ der CDU-Fraktion stehen die Hamburger Wasserwerke GmbH (HWW) und die Hamburger Stadtentwässerung (HSE) in der Gruppe der verkaufbaren Unternehmen. Die Liste wurde bisher im Grundsatz nicht revidiert. Noch bis Herbst 2004 hatte der Senator für Stadtentwicklung und Umwelt und zugleich Aufsichtsratsvorsitzende der HWW, Dr. Michael Freytag, eine Teilprivatisierung der HWW als vorstellbar bezeichnet. Dies geschah trotz des Anfang September 2004 von Unser-Wasser-Hamburg (UWH) erfolgreich abgeschlossenen Volksbegehrens gegen jedwede Form der Privatisierung der HWW.
Dem Volksbegehren trug die Hamburger Bürgerschaft mit einem im November 2004 einstimmig gefassten, mit dem Begehrenstext fast wortgleichen Beschluss Rechnung. Er enthielt zugleich die Aufforderung an den Senat, ein dem Beschluss entsprechendes Gesetz zu erarbeiten. Im April 2005 legte der Senat einen Gesetzentwurf vor, der die geforderte uneingeschränkte Verfügung der städtischen Eignerin über die öffentliche Wasserversorgung nicht umfasste.
Unser Wasser Hamburg hat diesen Sachverhalt als Verfälschung des Volkswillens kritisiert und auf eine parlamentarische Korrektur des Gesetzentwurfs gedrängt. Am 22. November 2005 fand eine Sachverständigenanhörung im Umweltausschuss der Bürgerschaft zur strittigen gesetzlichen Umsetzung statt, die die Kritik von UWH bestätigt hat.
In der CDU wird weiter gedacht
Die CDU, an ihrer Spitze Finanzsenator Peiner, hat zwischenzeitlich mehrfach den Verkauf der HEW, demnächst auch sprachlich Vattenfall Europe, als Fehler bezeichnet. Auf einem „Privatisierungskongress“ der Arbeitsgemeinschaft selbständiger Unternehmer (ASU) Anfang November 2005 sprach sich Peiner gleichwohl für eine „Verkaufspolitik mit Bedacht“ aus (taz Hamburg vom 3.11.05, Seite 22). Dabei sei die reine Kassennot ein schlechter Ratgeber.
Zugleich erklärte Peiner den Gedanken einer „Daseinsvorsorge“ durch staatliche Einrichtungen für überholt. Lediglich hoheitliche Aufgaben wie die Diplomatie, den Zoll, die Finanzverwaltung und die Justiz müsse der Staat in der Hand behalten.
Dies ist eine unmissverständliche Absage an den im deutschen Kommunalrecht stark verankerten Grundsatz, dass der Staat seine Kernaufgaben im Bereich der Infrastruktur, der Versorgungsgrundleistungen sowie im Sozial- und Kulturbereich wesentlich auch aus eigener wirtschaftlicher Tätigkeit finanzieren soll. Damit ist eine auf Dauer angelegte öffentliche Lenkungs- und Gestaltungsaufgabe verbunden.
Peiners Aussage, der Staat wolle bei der Infrastruktur – Hochbahn, Flughafen, Hafen – und bei den Unternehmen mit standortsichernder Funktion weiterhin das Sagen haben, ist nicht als Ablehnung von Privatisierungen zu verstehen. Vor kurzem wurde aus CDU-Kreisen der Gedanke eines 49,9-prozentigen Verkaufs der Hafen- und Lagerhaus AG ins Spiel gebracht. (Bei der Bekanntmachung des gewünschten „strategischen Engagements“ der Deutschen Bahn war dann von einer Beteiligung zwischen 25 und 75 Prozent die Rede.) Die Flughafen Hamburg GmbH ist bereits zu 49 Prozent privatisiert, ein weiterer Teilverkauf stand bereits zur Debatte.
Angstfaktor Wasserprivatisierung?
Die Peinerschen Überlegungen laufen also auf alles andere hinaus, als die Wasserversorgung, die ein Kernbestand der Daseinsvorsorge ist, grundsätzlich von der Privatisierung auszunehmen. Deshalb wagte sich die CDU –Bürgerschaftsabgeordnete Barbara Ahrons auf der genannten Veranstaltung auch mit der Bemerkung vor, die Stadt könne ruhig einzelne Betriebsteile der HWW verkaufen.
Welchen Reim soll sich nun die Öffentlichkeit auf die fast im gleichen Atemzug gefallene Äußerung machen, ein Verkauf der HWW sei „vom Tisch“? Jedenfalls, so Frau Ahrons etwas deutlicher, sei im Moment „nichts drin“. Und weiter: „Es ist einfach die Angst vor der Privatisierung, die in den Menschen steckt“.
Versuchen wir es im Klartext: Eigentlich passt eine Teilprivatisierung der HWW, genauer eine materielle Privatisierung als Teilverkauf, der CDU durchaus ins Konzept. Denn die CDU als solche hat nicht nur keine „Angst“ vor der Privatisierung, die sie für zeitgemäß hält, sie kann in Verkäufen sogar eine Stärkung „der“ Wirtschaft sehen. Als Hindernis für eine Teilprivatisierung der HWW erscheint ihr also nur eine den Menschen unterstellte irrationale Angst vor Privatisierungen, die in einer nicht näher beschriebenen Weise mit den Vorstellungen der CDU in Verbindung stehen muss.
Zwar ist die CDU bisher nicht dadurch aufgefallen, dass sie den Bürgerwillen, sei es bei dem durch Volksentscheid geänderten Wahlrecht oder bei der überwältigenden Ablehnung des Verkaufs des Landesbetriebs Krankenhäuser, zu respektieren gewillt ist. Andererseits möchte sie den selbst in einigen CDU- und Wirtschaftskreisen unpopulären Verkauf der HWW derzeit nicht in Angriff nehmen. Dabei spielen die „wunderbaren Gewinne“ der HWW, so der Erste Bürgermeister von Beust, zweifellos eine Rolle, die vom neuen HWW-Geschäftsführer weiter gesteigert werden sollen.
Dennoch soll der für private Investoren appetitliche Brocken durch Zusammenführung mit der ebenfalls ertragsstarken HSE zunächst noch attraktiver gemacht werden. Das Vorhaben wurde bei der offiziellen Verkündigung des zum Jahreswechsel zu schaffenden Gleichordnungskonzerns mit der üblichen, eher vernebelnden Rhetorik von Effizienzsteigerung und Standortstärkung umhüllt.
Da derzeit ein Teilverkauf des gesamten Unternehmens HWW nicht opportun ist und durch den neuen Gleichordnungskonzern bereits formal schwieriger würde, wird der Gedanke eines Verkaufs von Teilen der HWW bewegt. Dies würde dann nicht als Angriff auf die öffentliche Wasserversorgung insgesamt, sondern als irgendein betriebswirtschaftliches Spiel geringer Reichweite erscheinen. Damit würde dann die unterstellte irrationale Angst vor der Privatisierung der Wasserversorgung stückchenweise abgemildert.
Die CDU möge dabei doch einmal in Erwägung ziehen, dass die von Unser Wasser Hamburg (UWH) vorgetragenen und von vielen Bürgern ähnlich gesehenen Argumente gegen das Eindringen der reinen Kommerzwirtschaft in eine elementar wichtige Dienstleistung keine Gefühlsausbrüche sind. Sie sind vielmehr aus zahlreichen einschlägigen Beobachtungen abgeleitet und beruhen auf einem anspruchsvolleren Staatsverständnis, das sich nicht in ökonomischen Kategorien erschöpft.
Der Seitwärtsschritt der CDU ändert allerdings den Tanz nicht wesentlich. Aus UWH-Sicht spricht vieles dafür, dass auf absehbare Zeit die HWW, womöglich mit Teilen der HSE, erst einmal den Weg funktionaler Privatisierungen gehen sollen. Das heißt, einzelne Betriebsteile würden zunächst „outgesourct“ und mit Betriebsführungs-verträgen privaten Dritten in die Hand gegeben.
Gezielte Kostensenkungen durch Gehaltsdrückerei, Entlassungen und verminderten Investitionsaufwand werden dann als „Erfolg“ der Privaten ausgegeben werden, der sich selbstredend durch materielle Privatisierungen noch zum Wohl der Stadt und der Kunden steigern lassen würde.
Als Begleitmelodie ist ab 2006 der Lobpreis des „Erfolgsmodells“ öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP) (oft auch englisch public private partnership (PPP) genannt) zu erwarten. Befördert wird diese Entwicklung durch das im September 2005 in Kraft getretene sogenannte ÖPP-Beschleunigungsgesetz, das den alten Bundestag im Allparteienkonsens passierte. Formuliert haben dieses Gesetz übrigens mehr als 100 private Berater aus der Wirtschaft und großen Anwaltskanzleien, die an dem noch zu verteilenden großen öffentlichen Kuchen kräftig mitverdienen wollen.
Wachsamkeit bleibt deshalb eine der ersten Bürgerpflichten. Unser Wasser Hamburg wird die Entwicklung in Hamburg weiter verfolgen.